Was jetzt wächst – Spätsommer-Wildpflanzen sammeln und nutzen


Im Spätsommer schenken uns Vogelmiere, Spitzwegerich und Holunder noch einmal volle Kraft. Erfahre, wie du Spätsommer-Wildpflanzen sammeln, nutzen und zu Suppe oder Holundersaft verarbeiten kannst.


Der Sommer verneigt sich, und das Licht wird weicher. Die Felder sind abgeerntet, das Heu liegt längst in den Scheunen, und doch schenkt uns die Natur noch einmal Fülle. Wer jetzt mit offenen Augen durch Wiesen, Wälder und über Feldwege zieht, findet Kräuter, Beeren und Pflanzen, die uns nähren und schützen. Sie tragen die Kraft des ganzen Sommers in sich und geben sie an uns weiter – bevor der Herbst die Landschaft entlaubt und die langen Nächte kommen.

Der Spätsommer ist eine Übergangszeit. Früher nutzten die Menschen sie, um Vorräte anzulegen, Heilkräuter zu sammeln und aus den letzten frischen Pflanzen noch einmal Suppen und Stärkendes zu kochen. Heute können wir uns wieder daran erinnern: Sammeln, was wächst, und das wilde Grün nutzen, das uns kostenlos und reichlich zur Verfügung steht.


Vogelmiere – sattgrün und voller Lebenskraft

Die Vogelmiere (Stellaria media) wächst unauffällig am Boden, gern auf lockeren, feuchten Böden. Wer einmal genauer hinsieht, erkennt, wie sie in Polstern aus kleinen, zarten Blättern den Boden bedeckt. Sie ist kein Kraut, das sich aufdrängt – und doch eines der nahrhaftesten Wildkräuter.

Ihr Geschmack ist mild, fast wie junge Erbsen, saftig und frisch. Schon die Kinder der Dörfer knabberten sie gern, wenn sie über die Felder liefen. Die Vogelmiere steckt voller Vitamin C, Magnesium und Eisen – Stoffe, die unser Körper nach dem Sommer gut gebrauchen kann, wenn Müdigkeit einsetzt. Sie wirkt kühlend und nährend zugleich, und in einer Suppe bringt sie zarte, grüne Kraft.

Du kannst sie frisch im Salat verwenden, in Quark rühren oder eben, wie die Alten es taten, mit anderen Wildpflanzen kochen. Es heißt, die Vogelmiere schenke Leichtigkeit und helfe dem Körper, wieder ins Gleichgewicht zu finden.


Spitzwegerich – Heilkraut am Wegrand

Kaum eine Pflanze ist so treu an unserer Seite wie der Spitzwegerich (Plantago lanceolata). Er wächst dort, wo die Menschen gehen – an Wegen, Ackerrändern, Wiesen. Seine Blätter sind kräftig, länglich, von Adern durchzogen. Schon Hirten, Jäger und Reisende wussten: Wo Spitzwegerich wächst, ist Hilfe nah.

Seine Blätter wurden gekaut und auf Wunden gelegt, um Blutungen zu stillen. Als Tee hilft er gegen Husten und gereizte Atemwege. Und wer gestochen wird von Biene oder Mücke, reibt einfach ein frisches Blatt auf die Haut – schon lindert sich der Schmerz.

In der Küche ist er kräftiger als die Vogelmiere, sein Geschmack würzig-herb. In einer Suppe verbindet er sich gut mit milderen Kräutern und Wurzelgemüse. Er ist ein Kraut, das Stärke und Widerstandskraft schenkt – genau das, was wir im Übergang zum Herbst brauchen.


Holunder – das dunkle Tor zum Herbst

Der Holunder (Sambucus nigra) ist kein gewöhnlicher Strauch. In alten Zeiten galt er als heiliger Baum, Wohnsitz der Göttin, Beschützer von Haus und Hof. Noch heute pflanzen viele ihn an den Rand des Gartens, als stillen Wächter.

Jetzt im Spätsommer hängen die Beeren schwarz und schwer an den Zweigen. Sie leuchten fast violett, wenn die Sonne sie trifft. Doch Vorsicht: roh sind sie giftig. Erst gekocht entfalten sie ihre Kraft – tief, dunkel, süß und zugleich herb.

Holunderbeeren liefern uns Vitamine und stärken das Immunsystem. Früher kochte man Saft, Mus oder Gelee, um den Winter zu überstehen. Ein Becher heißer Holundersaft mit Honig wärmte von innen, wenn draußen die Stürme tobten. Wer heute sammelt, verbindet sich mit diesem alten Wissen – und holt die Kraft des Holunders ins Haus.


Rezept 1: Spätsommer-Wildkräutersuppe

Wenn die Abende kühler werden, tut eine heiße Suppe gut. Sie wärmt nicht nur den Bauch, sondern auch das Herz – und verbindet uns mit der Wildnis, die wir in uns tragen.

Zutaten (für 2–3 Personen):

  • eine gute Handvoll Vogelmiere
  • einige Blätter Spitzwegerich
  • Holunderbeeren, gekocht und abgezupft (ein kleiner Zweig reicht)
  • eine Kartoffel oder Pastinake aus dem Vorrat
  • 500 ml Gemüsebrühe oder Wasser
  • Salz, etwas Öl oder Butter

Zubereitung:
Kartoffel schälen und würfeln, in Brühe gar kochen. Kräuter grob hacken, kurz mitköcheln lassen. Holunderbeeren zugeben, fünf Minuten ziehen lassen. Alles pürieren oder stückig lassen, je nach Vorliebe. Mit Salz abschmecken, einen Tropfen Öl oder einen Klecks Butter hinzufügen.

Diese Suppe ist einfach, nahrhaft und kraftvoll. Sie vereint das milde Grün der Vogelmiere, die Würze des Spitzwegerichs und die dunkle Süße des Holunders – ein Spiegelbild des Spätsommers selbst.

Auch etwas stärkendes: Brennnesselsamen statt Proteinpulver


Rezept 2: Klassischer Holundersaft

Holundersaft ist mehr als ein Getränk – er ist Vorrat, Medizin und Ritual zugleich. Ein Glas davon im Winter erinnert an den Sommer und schützt vor Erkältungen.

Zutaten (für ca. 1 Liter):

  • 1 kg Holunderbeeren
  • 300 ml Wasser
  • 200–250 g Zucker (je nach Geschmack)
  • 1–2 Scheiben Bio-Zitrone

Zubereitung:
Die Beeren gründlich waschen und von den Dolden streifen. Mit dem Wasser in einen Topf geben und langsam aufkochen. Etwa 20 Minuten köcheln lassen, bis die Beeren aufplatzen. Durch ein feines Sieb oder Tuch abseihen. Den Saft zurück in den Topf geben, Zucker und Zitronenscheiben hinzufügen und nochmals aufkochen. In saubere, heiß ausgespülte Flaschen füllen und sofort verschließen.

So haltbar gemacht, schenkt der Holundersaft Kraft für die kalte Jahreszeit. Verdünnt mit heißem Wasser, dazu ein Löffel Honig – das ist Spätsommerwärme im Winter.


Sammeln und Bewahren

Wer im Spätsommer sammelt, sammelt nicht nur Nahrung, sondern auch Erinnerung. An warme Tage, an den Duft von Wiesen, an das Rascheln der Bäume. Unsere Vorfahren kannten den Wert dieser Pflanzen und wussten, dass sie mehr sind als Zutaten: Sie sind Verbündete auf dem Weg durch die Jahreszeiten.

Vielleicht trocknest du ein paar Blätter Spitzwegerich für den Winter, vielleicht stellst du Holundersaft her oder mischst dir einen Wildkräuterquark mit Vogelmiere. Was immer du tust: Du hältst eine alte Verbindung lebendig – zwischen Mensch und Pflanze, Sommer und Herbst, Jetzt und Damals.


Fazit

Der Spätsommer ist eine Zeit des Sammelns. Vogelmiere, Spitzwegerich und Holunder schenken uns grüne Frische, Heilung und dunkle Kraft. Sie erinnern uns daran, dass Nahrung mehr ist als Sattwerden – sie ist Verbindung, Schutz und Erinnerung. Wenn du dir eine Suppe oder einen Saft aus diesen Pflanzen zubereitest, schmeckst du den Sommer, spürst die Übergänge und nimmst die wilde Kraft mit in den Herbst.

Meine wilde Feuerküche: Feuerküche


Von Pea

Ich betreibe peopeo, weil ich Spaß daran habe, besondere Esskulturen auszuprobieren. Von Steinzeitküche über Ayurveda bis zu Gerichten aus Usbekistan – ich liebe es, Neues zu entdecken. Mein Blog ist kein Ratgeber, sondern ein Ort für Neugier, Genuss und kleine kulinarische Abenteuer.